Teil 2-Ferien für Nachahmer - Allein mit dem Velo unterwegs

Ferien - Teil 2 - meiner Reise vom Bodensee nach Zug
Gastbeitrag von Kristina Gysi

Willkommener Regen

Prasselnder Regen, der mein Zeltdach als Trommel nutzte, weckte mich am zweiten Tourentag, sanft aus einem tiefen Schlaf. Darum bemüht, dem Tag trotz dunkler Wolkendecke mit einem Lächeln zu begegnen, schälte ich mich aus der wohligen Wärme meines Schlafsacks, kroch aus dem Zelt und reckte das Gesicht gen Himmel. Der Regen schwächelte, jedoch war laut Wetterprognose kein Ende des Niederschlags in Sicht. Ohne lange herumzutrödeln, packte ich meine Sachen zusammen, belud das Fahrrad und überzog das Gepäck sowie mich selbst mit Regenschutz. Den Kommentar eines Campinggastes; «Jetzt ist das nicht mehr so lustig, was?», quittierte ich mit einem netten Lächeln und den Worten «Ist ja nur ein bisschen Wasser.» Und das meinte ich tatsächlich so: Mit Regenschutz ausgestattet waren die kühlen Regentropfen im Gesicht eine willkommene Abkühlung und nicht einmal halb so mühsam, wie anfangs gedacht.

Keine Schonfrist

Den Schlaf noch in den Augen machte ich mich schliesslich auf den weiteren Weg und fand mich nach nur wenigen Minuten Fahrt am Fuss eines Hügels, dessen Weg sich steil und kurvig durch die vielseitige Landschaft wand. Ich unterdrückte ein Gähnen und atmete stattdessen drei Mal tief durch, um meine gesamte Motivation für die bevorstehende Herausforderung zu sammeln. Es war ein merkwürdiger Tag. Das Wetter änderte öfter, als Donald Trump seine Meinung, und immer, wenn sich auch nur ein einzelner Sonnenstrahl seinen Weg durch die Wolkendecke bahnte, verfluchte ich die Sonne für ihre Wärme und wünschte mir die wohltuende Kälte der Regentropfen zurück.

Ein erfreuliches Treffen

Irgendwann nachmittags erreichte mich ein Anruf, der mein mächtig arbeitendes Herz einmal aussetzen liess. Die Stimme meines Freundes störte meine regelmässige Lungenaktivität und bewog mich dazu, kurz anzuhalten. Er teilte mir mit, dass er geschäftlich in der Nähe sei und wir uns in Rapperswil-Jona treffen könnten. Mit neuer Energie trat ich kräftig in die Pedale und fuhr um circa 17 Uhr in Rapperswil ein. Nach einem gemeinsamen Essen verabschiedete ich mich von meinem Liebsten und fuhr in die Jugendherberge in Rapperswil. Das kleine Viererzimmer wirkte auf mich wie ein königliches Schlafgemach und das Bett fühlte sich an wie ein luxuriöses Wasserbett.

Ein zähes Tourenende

 Zutiefst gerührt bin ich aufgrund der zahlreichen Anrufer und Mailschreiber (okay, ganz so zahlreich waren sie nicht), die sich nach meinem Befinden erkundigt haben und fragten, ob ich denn nun tatsächlich von einer Horde Wildschweine verspeist worden sei. Doch kein Grund zur Sorge – nach meinen Ferien sitze ich wieder im Büro der Zuger Woche Redaktion und frage mich, wie ich unsere Leser am besten mit spannendem und unterhaltsamem Lesestoff versorge. Doch im Hinblick auf diese Sommerrubrik gestaltet sich das eher schwierig, war doch der letzte Tag meiner Veloreise alles andere als spektakulär.

Nicht zu unterschätzen

Nein, viel passiert ist bei meiner letzten Etappe – von Rapperswil über Einsiedeln nach Zug – wirklich nicht. Als ich am Morgen die Jugendherberge verliess, nieselte es nur noch schwach. Ich dachte an die Worte eines Familienvaters zurück, mit dem ich beim Frühstücksbuffet ins Gespräch gekommen war. Als ich ihm von dieser letzten Etappe erzählte, schmunzelte er und meinte: «Das wird aber noch ein strenges letztes Stück, da gibt es einige Hügel zu erklimmen.» Naiv wie ich war, wischte ich die Bemerkung mit einer lässigen Handbewegung beiseite, grinste tapfer, und meinte: «Ach, das werde ich jetzt auch noch schaffen.» Wir behielten beide recht.

Jeder Aufstieg lohnt sich

Kaum aus dem Haus erwartete mich die erste Steigung – und was für eine! Zum ersten Mal seit Beginn meiner Reise war ich versucht, mich vom Drahtesel zu schwingen und ihn den Rest des Hügels hochzuschieben. Als mich jedoch zwei gepäcklose Mountainbiker überholten, siegte mein Ego. Mit rasselndem Atem, einem vor Schweiss und Regen triefenden Oberteil und weit aufgeblähten Nasenlöchern erreichte ich schliesslich den Hügelkamm. Die Mountainbiker hoben lässig den Daumen und grinsten mir zu. Ich versuchte zurückzulächeln, sah dabei jedoch wohl eher aus, wie Joker in Batman. Ein kleines bisschen irre. Als ich mich schliesslich erholt hatte und den Blick über die Landschaft gleiten liess, die sich bis in weite Ferne erstreckte, wurde mir – einmal mehr – bewusst, dass sich schlussendlich jeder Aufstieg lohnt.

Ein letzter Halt

Mit Müh und Not erreichte ich schliesslich Einsiedeln. In einem schnuckligen Kaffee, nahe des Klosters, gönnte ich mir eine letzte kleine Stärkung, liess die vergangenen Tage Revue passieren und schwang mich schlussendlich ein letztes Mal in den Sattel. Die abschliessende grosse Hürde vor der Einfahrt in Zug stellte sich als der Raten heraus. Und wie schon so oft auf dieser Tour wurde mir bewusst, wie schlecht meine Geografiekenntnisse sind, erkannte ich doch erst auf dem Passgipfel beim Restaurant Raten, wo ich mich gerade befand. Mit Blick auf den Ägerisee sauste ich den Hang hinab und traf schliesslich, ein Tag früher als gerechnet, wieder in Zug ein. Müde, erschöpft und mit schmerzenden Gliedern, aber auch zufrieden, glücklich und ein klein wenig stolz.







Freizeitsilvia jäggi